Verantwortung neu denken

Fachtagung Nachhaltigkeit

Premiere beim Ostdeutschen Sparkassenverband (OSV). Der Megatrend Nachhaltigkeit fordere auch von den Handelnden in der Finanzwirtschaft, eine Haltung und eine Strategie zum Thema zu entwickeln, so eröffnete Abteilungsdirektor Michael Klöckner, Leiter Team Sonderaufgaben beim OSV, die Fachtagung. Wer sich mit Nachhaltigkeitsfragen auseinandersetzt, merkt schnell, wie komplex das Thema ist. Die Nord-Ostdeutsche Sparkassenakademie (NOSA) lud daher am 17. und 18. Februar 2020 zur 1. Fachtagung Nachhaltigkeit in Potsdam ein. Etwa 90 Vertreterinnen und Vertreter von ostdeutschen Sparkassen sowie aus der Sparkassen-Finanzgruppe deutschlandweit nahmen teil.

In einer Blitzumfrage zu Beginn der Fachtagung unter den Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmern bestätigten 70 Prozent, dass Sparkassenkunden das Thema Nachhaltigkeit verstärkt aufgreifen. OSV-Referentin kommunale Projekte und Nachhaltigkeit Ellen Weiland erinnerte eingangs zur Tagung daran, dass mit Beginn des Jahres 2021 Nachhaltigkeit zur Pflichtaufgabe in der Kundenberatung wird. Nachhaltigkeit ist als dauerhafter Prozess zu verstehen.

Sehr eindrucksvoll machte Klimaforscher Prof. Dr. Manfred Stock vom renommierten Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung deutlich, dass die Extremwetterereignisse der vergangenen Jahre klare Folgen des Klimawandels sind. Insbesondere die Landwirtschaft (Trockenheit, Hagel, Sturm) und der Wasserhaushalt (Trockenheit, Überflutung) waren davon betroffen. Er verwies auf die Dringlichkeit, schnell vom Modus „weiter so“ in ein „gemeinsam anders“ kommen zu müssen.

Es sei jetzt an der Zeit, zu handeln, forderte auch Prof. Maja Göpel, Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen. Wirtschaft und Gesellschaft brauchen einen grundlegenden Kulturwandel hin zur Nachhaltigkeit Diese Transformation gelingt nur gemeinsam. Dabei hat die Finanzindustrie durchaus eine wichtige Rolle.

Im weiteren Verlauf der 1. Fachtagung Nachhaltigkeit standen daher Fragen der praktischen Umsetzung in der Sparkasse, Marktchancen und der Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken im Kontext Regulatorik. Die Tagungsteilnehmer und -teilnehmerinnen nutzten bei den Fachvorträgen und in den Workshops am zweiten Tag rege die Möglichkeiten zur intensiven, teils auch kontroversen Diskussion mit versierten Praktikern aus der Sparkassenorganisation und darüber hinaus mit Nachhaltigkeitsfragen befassten Institutionen.

In der Sparkassen-Finanzgruppe erwiesen sich insbesondere die Deka Bank und die LBBW als führend auf dem Feld der Nachhaltigkeit. Beide haben bereits ausgeprägte Erfahrungen in der Ausgestaltung von nachhaltigen Anlageprodukten und im Investment.

Eindrucksvoll berichtete der Leiter Business Development und Nachhaltigkeit LBBW Asset Management Ulrich Keipert von der komplexen Gestaltung der nachhaltigen Anlageprodukte, warnte aber davor, den Kunden damit überfordern. Bei der Ausgestaltung nachhaltiger Anlageprodukte gelte es, so Keipert Nachhaltigkeitsrisiken in den Investmentprozess und in das Risikomanagement zu integrieren. ESG-Kriterien (Environmental, Social und Governance), Klima- und CO2-Reporting schaffen Transparenz, so sein Fazit.

Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance der Deka Investment GmbH, zeigte durch einen seltenen Blick hinter die Kulissen und zahlreichen Beispielen auf, wie wirkungsvoll Finanzströme die Wirtschaft nachhaltigkeitsorientiert steuern können. Investoren haben hier eine hohe Verantwortung, die Transformation der Realwirtschaft konkret in einzelnen Unternehmen einzufordern und mitzugestalten. De-investment ist nicht immer die beste Lösung, sondern eine Engagement-Strategie hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise und der regelmäßige, verbindliche Dialog auf Augenhöhe sind ausschlaggebend. Das Wissen um diese Prozesse erleichtert den Sparkassen die Argumentation, warum bestimmte Titel in den Fonds gehalten werden, die nicht per se als nachhaltig deklariert sind.

Aber auch einzelne Sparkassen haben innovativ einen nachhaltigen Kurs eingeschlagen. Mit dabei zum Beispiel die Salzlandsparkasse. Ihr Vorstandsvorsitzender Hans-Michael Strube berichtete eindrucksvoll davon, dass sich die Sparkasse CO2-neutral durch Messung und Kompensation des eignen CO2 Fußabdrucks gestellt hat und zudem seit Anfang dieses Jahres mit ihrem Projekt „KlimaEuro“ alle Stakeholder des gesamten Geschäftsgebietes in das Thema einbindet. Dabei entstehen konkrete, messbare Beiträge zur Gemeinwohlorientierung vor Ort. „Wir Sparkassen regionalisieren Finanzströme wie kein Institut sonst und stärken die Realwirtschaft vor Ort, wir können uns das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreiben“, plädiert Strube.

Auch die Nachhaltigkeitsbeauftragten Kevin Dominique Bröde, Referent des Vorstandes Fördesparkasse, und Sasa Lukic, Abteilungsdirektor Vorstandssekretariat Kreissparkasse Ost-Alb, verstehen Nachhaltigkeit als Chance, um Kunden zu binden, neue Kunden zu gewinnen und um Sparkasse neu zu denken und für die Zukunft zu wappnen.

Kontroverser ging es bei der Diskussion um die Regulatorik zu. Dass Nachhaltigkeitsrisiken adressiert werden müssen, ergibt sich aus geltenden Gesetzen und MaRisk, MaGo, KaMaRisk, erläutert Frank Pierschel, Chief Sustainable Finance Officer und Bankenaufsicht International Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die Motivation für das Merkblatt Nachhaltigkeitsrisiken, herausgegeben im Dezember 2019. Die BaFin sieht Nachhaltigkeitsrisiken als Teilaspekt bekannter Risikoarten: Kredit- und Adressenausfallrisiko, Markt(preis)risiko, Liquiditätsrisiko, operationelles Risiko, versicherungstechnisches Risiko, strategisches Risiko, Reputationsrisiko.

Einig waren sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 1. Fachtagung Nachhaltigkeit nach zwei intensiven Tagen darüber, dass insbesondere die Sparkassen mit ihrem gemeinwohlorientierten Geschäftsmodell eine gute Ausgangsposition haben, um sich strategisch in der Nachhaltigkeit zu positionieren. Als größte Herausforderung sehen sie die Implementierung in der Geschäftsstrategie und den Wissens- und Kompetenzaufbau in den Instituten.

Für die fachliche Konzeption der Fachtagung Nachhaltigkeit standen das Team Sonderaufgaben des OSV mit der Referentin kommunale Projekte und Nachhaltigkeit Ellen Weiland und die NOSA mit Bildungsreferentin Steuerung Susanne Wegner.

Der gelungene Auftakt und das positive Feedback der Teilnehmerinnen und Teilnehmer verleiht ihnen Rückenwind für die nächste Auflage der Fachtagung Nachhaltigkeit am 23. und 24. Februar 2021.