Sparkassen-Tourismusbarometer für Sachsen-Anhalt: Corona-Krise lässt Nachfrage einbrechen – Fachkräftemangel dramatisch verschärft
Wernigerode, 21. September 2021 Sachsen-Anhalts touristische Ziele sind nach der dritten Corona Welle wieder gefragt. Dennoch hat Corona tiefe Spuren in der Tourismuslandschaft hinterlassen und Probleme, wie den Fachkräftemangel dramatisch verschärft. Das geht aus dem Sparkassen-Tourismusbarometer 2021 des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) hervor, dessen Ergebnisse für Sachsen-Anhalt der OSV am Dienstag im Fürstlichen Marstall in Wernigerode vorgestellt hat.
Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Gastgewerbe hat im Juni 2021 gegenüber dem Vorjahr um 6,4 Prozent abgenommen. Zudem ist die Zahl gemeldeter Ausbildungsstellen im Jahr 2020 um 12,2 Prozent dramatisch zurückgegangen und im Juli 2020 waren 30 Prozent der Ausbildungsstellen im Gastgewerbe unbesetzt.
Der Geschäftsführende Präsident des OSV, Dr. Michael Emrich, betonte, die Pandemie habe die Tourismusbranche erheblich durchgeschüttelt und Verbesserungspotential aufgezeigt. „Die touristischen Betriebe haben die Herausforderung angenommen. Sie erleben, dass Qualität und ein flexibler Umgang mit Gästewünschen mehr denn je ein Schlüssel zum Erfolg sind. Wir lernen aus der Krise und werden noch besser.“
Nach dem bereits durch Corona beeinträchtigten 1. Halbjahr 2020 mussten die touristischen Betriebe in Sachsen-Anhalt im 1. Halbjahr 2021 erneut drastische Rückgänge bei Übernachtungen (- 34 Prozent) hinnehmen. Zählten die Betriebe noch 3,9 Millionen Übernachtungen im ersten Halbjahr 2019, waren es im 1. Halbjahr 2020 2,2 Millionen Übernachtungen und im Lockdown-Halbjahr 2021 nur noch 1,5 Millionen Übernachtungen.
Nachfrageverluste unterschiedlich in Reisegebieten
Der Neustart des Tourismus in den Reisegebieten Sachsen-Anhalts ist unterschiedlich verlaufen, in Abhängigkeit von den Corona-Inzidenzen in den Landkreisen und entsprechenden Auflagen. Größere Betriebe brauchten in der Regel einen längeren Vorlauf, um die Öffnung vorzubereiten als kleinere Betriebe.
Während die Übernachtungen im Juni 2021 gegenüber Juni 2020 in Magdeburg, Elbe-Börde-Heide (+ 14,8 Prozent), in Halle, Saale-Unstrut (+ 11,6 Prozent) und in der Altmark (+ 4,5 Prozent) zunahmen, gingen sie in Anhalt-Wittenberg (- 7 Prozent) und im Harz und Harzvorland (- 29,8 Prozent) zurück. Im Vergleich der Reisegebiete Juni 2021 zum Normaljahr-Monat Juni 2019 war die Zahl der Übernachtungen überall deutlich im Minus.
Die Nachfrageverluste im ersten Halbjahr 2021 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum waren nicht so hoch in der Altmark (- 7,6 Prozent) und in Magdeburg, Elbe-Börde-Heide (- 11,6 Prozent). Etwa auf Landesniveau bewegten sie sich Halle, Saale-Unstrut (- 20,7 Prozent) und Anhalt-Wittenberg (- 26,9 Prozent). Besonders schwer traf es Harz und Harzvorland (- 64,3 Prozent).
Eine gewisse Entspannung der Lage deuten die Kennzahlen der sächsischen Betriebe an. So verbesserte sich die Auslastung der Betriebe im Juli 2021 gegenüber Juli 2020 um 17 Prozent, die Preise stiegen um 3 Prozent und der Zimmererlös um 21 Prozent.
Freizeitwirtschaft langsam auf dem Weg der Erholung
Auch die Freizeitwirtschaft erholt sich langsam. Insbesondere der August trug mit seinem Besucheraufkommen erheblich zur Minderung der Verluste bei. Die Zahl der Besucher in Kultur- und Freizeiteinrichtungen Sachsen-Anhalts verzeichnete von Januar bis August 2021 ein Minus von 25,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. In ganz Ostdeutschland war das Besucher-Minus in den Kultur- und Freizeiteinrichtungen mit 26,4 Prozent etwa genauso hoch. Verhältnismäßig hoch waren der Besucherrückgänge in Bädern/Thermen (- 60,8 Prozent), in Museen und Ausstellungen (- 34,4 Prozent) deutlich geringer und in Zoos/Tierparks lagen sie dagegen bei nur 16,4 Prozent.
Neue Qualitätsimpulse setzen
Qualitätsarbeit bleibt eine wichtige Aufgabe. Neue Impulse sind erforderlich und die Schwachstellen in der Qualität müssen abgebaut werden. Die Zufriedenheit der Gäste mit der Qualität ihrer Übernachtungsquartiere in Sachsen-Anhalt geht im Corona-Jahr spürbar zurück. Nach 85,4 Punkten beim Trust Score 2020 sank er 2021 auf 84,8 Punkte. Der deutschlandweite Wert des Trust Score ist in gleicher Höhe um 0,6 Punkte auf 85,8 Punkte gefallen.
Hoch zufrieden sind die Gäste mit dem Service (91,8 Punkte), der Location (90,8 Punkte) und dem Hotel (87,9 Punkte).
Schwachpunkte in der Qualität sind aus Sicht der Gäste der Preis im Verhältnis zur Leistung (75,8 Punkte), der Covid Score (65,6 Punkte) und der Internetzugang (42,7 Punkte).
Die zufriedensten Gäste hatten die Betriebe in der Altmark (86,6 Punkte). Harz und Harzvorland büßten bei einem noch über Landesdurchschnitt liegenden Wert (85,2 Punkte) am meisten Gästezufriedenheit ein. Gegenüber 2020 sank der Trust Score hier um einen 1 Punkt. Magdeburg, Elbe-Börde-Heide lagen knapp unter Landesdurchschnitt (84,3 Punkte). Die Betriebe in Halle, Saale-Unstrut erreichten 84,2 Punkte, deutliche 0,7 Punkte weniger als 2020. Das Schlusslicht in der Gästezufriedenheit bildet Anhalt-Wittenberg (84,1 Punkte).
Der Trust Score fasst Gästebewertungen auf rund 250 Onlineplattformen für Unterkunftsbetriebe zu einem Gesamtwert der Gästezufriedenheit zusammen, maximal 100 Punkte können erreicht werden.
Schulterschluss für starken Tourismus – positiv denken
Das Sparkassen-Tourismusbarometer fordert von Touristikern, Landräten, Bürgermeistern und Kämmerern neue Konzepte. Die Destinationen und die Betriebe benötigen Strategien für mehr Resilienz, um auf Dauer krisenfest zu sein. Die Bilanzzahlen müssen exakt analysiert werden. Instrumente, wie Kennzahlen-Monitoring oder Business Impact Analyse sollten genutzt werden, um die strategische Ausrichtung des Betriebs auf den Prüfstand zu stellen. Die Gäste erwarteten Konzepte, die Gefahren durch z. B. Viren berücksichtigen und ernst nehmen. Das Tourismusbarometer empfiehlt den Betrieben sich stärker zu vernetzen, um sich gemeinsam gegen künftige und aktuelle Pandemien und andere Krisen zu wappnen. Der Stellenwert der Digitalisierung und eines komplexen Marketings steigt.
Um den Fachkräftemangel der Branche zu bewältigen, müssen Arbeitgeber mehr denn je Arbeitskräfte mit flexiblen Konzepten binden und Anreize setzen. Dazu zählt auch, Mitarbeiter bei Entscheidungsfindungen, beispielsweise beim Umgang mit der Pandemie, einzubeziehen.
Anpassungsfähigkeit und Veränderungsbereitschaft sind künftig stärker gefragt. Beides hilft, Krisen zu bewältigen und macht widerstandsfähiger.