In den zurückliegenden Jahren wurde das Engagement der Sparkassen durch die Niedrig- und Minuszinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und die überzogene Regulierung zunehmend erschwert. Diese Entwicklung belastet nicht nur die Sparkassen und ihre Kunden, sondern alle Kreditinstitute mit klassischem Bank-Geschäftsmodell, vor allem jene, die in der Fläche für ihre Kunden da sind.
Dies geht zulasten der Interessen der Menschen in den Landkreisen und Städten, da die finanzielle Grundlage des Engagements der Sparkassen erodiert, was auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung nachteilig wirkt.
Wir benötigen eine Kursänderung in der Geldpolitik und bei der Regulierung. Wir rufen die Politik, die Wissenschaft, den Finanzsektor und die Regulierer zu einem breiten gesellschaftlichen Dialog auf.
Wieso fordern wir diesen Dialog?
Der Mittelstand ist das Rückgrat der Wirtschaft. Er ist auf robuste und handlungsfähige Sparkassen angewiesen.
Mittelständische Unternehmen erwirtschaften die Grundlage unseres Wohlstandes. Mehr als 99 Prozent der Unternehmen in Deutschland sind Mittelständler. Der Mittelstand ist somit das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Er ist ein bedeutender Arbeitgeber, schafft Arbeits- und Ausbildungsplätze, stützt einen Großteil der Wertschöpfung und ist ein bedeutender Steuerzahler. Er unterstützt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Internationale Studien belegen, dass mittelständische Unternehmen weltweit auf Banken angewiesen sind, die vor Ort ansässig und erreichbar sind. Sie brauchen echte Hausbanken, die die spezifische Lage vor Ort aus eigener Anschauung kennen und auf dieser Basis Entscheidungen treffen. In Deutschland überzeugt der Mittelstand mit seinen Leistungen und Stärken nicht zuletzt, weil das Drei-Säulen-Banksystem ihm genau solche Strukturen garantiert.
Sparkassen finanzieren Mittelstand
Die Hausbanken stellen 72 Prozent der Fremdmittel für Investitionen im Mittelstand. Sehr häufig ist das eine Sparkasse. Zugleich erzielen die Kreditinstitute 60 bis 70 Prozent ihrer Erträge aus dem zinstragenden Geschäft. Bei Sparkassen sind es 70 Prozent. Fast zwei Drittel davon stammen aus dem Kreditgeschäft.
Sparkassen sind auf Zinsertrag angewiesen
Daraus folgt, dass die Ertragsmöglichkeiten im zinstragenden Geschäft (Zinsdifferenz/Marge) wesentlich den Umfang an Dienstleistungen von Sparkassen und Banken beeinflussen und ermöglichen.
Seit der Finanzmarktkrise 2007 sinken weltweit die Leitzinsen der Zentralbanken, ganz besonders drastisch in der Eurozone. Hier liegen die Leitzinsen der EZB seit 2014 nahe null und bei den Einlagen der Banken sogar unter null.
In der Praxis bedeutet das, dass Sparkassen mittlerweile für ihre durch Kundenersparnisse entstehenden überschüssigen Reserven auf Zentralbankkonten ein Verwahrentgelt in Höhe von 0,5 Prozent an die EZB bezahlen.
Die negativen Einlagenzinsen der EZB bewirken, dass Sparkassen Negativzinsen bei der EZB zahlen, wenn auf den Girokonten der Kunden Gelder eingehen und diese nicht andererseits durch entsprechende regionale Kreditvergaben, Wertpapieranlagen, Versicherungen, das Bausparen oder z. B. auch Fonds kompensiert werden. Dies ist aber aufgrund der konkreten Kunden-Anlagewünsche, der bestehenden Kreditnachfrage, der regionalwirtschaftlichen Situation und der individuellen Kunden-Bonität nur teilweise möglich.
Zusätzlich drückt die EZB mit ihrer Geldpolitik auch die Zinsen am Kapitalmarkt auf null oder darunter. Somit werden Sparkassen-Anlagen beim Bund und bei anderen Banken auch mit Negativzinszahlungen belastet. Hinzu kommen weitere Belastungen, z. B. Zahlungen, die trotz unserer traditionellen Institutssicherung und zusätzlich zur Einlagensicherung, abzuführen sind.
Bei unveränderter Fortführung dieser zunehmend kostenintensiven Gesamtsituation werden Sparkassen zur Sicherung des eigenen Geschäftsbetriebes zur differenzierten Einführung von Verwahrentgelten ab einer bestimmten Freigrenze gezwungen, mit der Folge von Negativstimmungen in der Bevölkerung gegenüber Kreditinstituten, der Politik und der Europäischen Union.
Öffentlicher Auftrag wird konterkariert, Rentenlücken nicht geschlossen
Infolge der EZB-Zinspolitik sind im Eigenanlagengeschäft der Sparkassen die Erträge seit 2016 insgesamt um über 1 Milliarde Euro gesunken. In den vergangenen drei Jahren, also zwischen 2017 und 2020, ist das Ergebnis des operativen Geschäfts (Betriebsergebnis vor Bewertung) der heute 43 Mitgliedssparkassen des Ostdeutschen Sparkassenverbands um zusammen rund 180 Millionen Euro zurückgegangen. Dies entspricht der Summe, die die Sparkassen in dem Zeitraum für ihre gemeinnützigen Projekte in Kultur, Sport, Sozialem und Bildung bereitgestellt haben.
Dass der Rückgang nicht noch größer ausfiel, ist darauf zurückzuführen, dass die Sparkassen gegengesteuert haben, beispielsweise mit Prozessoptimierungen. Dennoch konnte die Negativentwicklung nicht gestoppt werden und Optimierungsreserven sind nicht beliebig oft zu heben.
Zusätzlich zur Geldpolitik wirkt die deutlich ausufernde, nicht proportionale Regulierung, die sehr unterschiedlich große Kreditinstitute und deutlich verschiedene Geschäftsmodelle weitgehend gleich behandelt. Das schnelle Wachstum der Regulierungsbürokratie, die große Anzahl an gleichzeitig wirkenden und zeitaufwendig zu erfüllenden Regulierungsvorschriften führen zu hoher Kostenintensität.
Geldpolitik und Überregulierung beschädigen damit letztlich den öffentlichen Auftrag. Die stabilisierende Funktion von Sparkassen – aber auch von Volksbanken – wird im Ergebnis geschwächt und damit verbunden die Finanzierungskultur des deutschen Mittelstandes infrage gestellt. Diese Entwicklung geht zum Nachteil der gesamten Gesellschaft.
Minus- und Niedrigzinspolitik sowie Überregulierung belasten auch die Kunden. Diese verfehlen ihre Sparziele, sie können Lücken in der Altersvorsorge nicht schließen. Selbst sinkende Zinsen für Immobilienfinanzierungen werden durch die ebenfalls zinspolitisch ausgelösten Immobilienpreissteigerungen überkompensiert.
Die ostdeutschen Sparkassen erwarten, dass weiteren Verschärfungen des überbordenden Bankenaufsichtsrechts Einhalt geboten wird oder die regional tätigen Kreditinstitute, für die dieses Ausmaß an Regulierung nie angedacht war, von übermäßigen Regulierungsvorschriften in angemessenem Maße ausgenommen werden. Dies gilt mindestens für aufsichtliche Verschärfungen infolge des Wirecard-Skandals und der Mitfinanzierung dieser und anderer zusätzlicher Aufsichtsaktivitäten.
Reflexion statt weiter so
Ein unreflektiertes „weiter so“ darf es nicht geben. Wir brauchen eine breite Diskussion. Ziel ist ein intelligenter Ausweg aus der schwierigen makroökonomischen Situation in der Euro-Zone.
Dazu rufen wir Kreditwirtschaft, Wissenschaft, Geldpolitik, Sozialpartner und Regulierer auf.