25. OSV-Tourismusforum – Pre-Opening für ITB mit aktuellen Ergebnissen des Sparkassen-Tourismusbarometers
Berlin/Potsdam, 2. März 2022 Zwei Corona-Jahre in Folge haben Spuren bei den touristischen Betrieben Ostdeutschlands hinterlassen. Der Arbeitskräftemangel hat sich weiter verstärkt. Die Branche benötigt neue Ansätze, Service-Talente zu binden. Dennoch erwies sich der ostdeutsche Tourismus als krisenfester als der deutschlandweite Schnitt. Als Ursachen benennt das Sparkassen-Tourismusbarometer u.a. die geringere Bedeutung des internationalen Tourismus, des Städtetourismus mit Messe- und Kongressen sowie der Geschäftsreisen. Erste Ergebnisse des Sparkassen-Tourismusbarometers hat der Ostdeutsche Sparkassenverband (OSV) am Mittwoch in Potsdam auf seinem Pre-Opening der ITB vorgestellt.
Das Tourismusbarometer sieht neue Ansätze für die Vermarktung von Destinationen. So steht ländlicher Raum nicht mehr nur für Freizeit, sondern auch für Coworking und Workations. Digitales Arbeiten abseits der Büros hat in der Corona-Krise einen regelrechten Schub erfahren. Das bietet neue Perspektiven auch für weniger traditionelle Urlaubsgebiete im Umland größerer Städten.
Der Geschäftsführende OSV-Präsident Ludger Weskamp lobte das Durchhaltevermögen und die Kreativität der touristischen Betriebe in den zurückliegenden beiden Jahren. „Die Regionen Ostdeutschlands haben viel zu bieten. Als Urlaubsregion aber auch als Orte, an denen die Menschen gerne leben, arbeiten und Freizeit miteinander verbinden. Die Bereiche verschmelzen zusehends. Diese Stärke ist ein tragfähiges Fundament. Ich bin sicher, dass so Herausforderungen, wie der Arbeitskräftemangel angegangen werden können.“
Tagestourismus normalisiert sich langsam
In einem Normaljahr besuchen annähernd 500 Millionen Tagesgäste die neuen Länder, 2021 waren es nur 424 Millionen. Das war ein Prozent mehr als im Vorjahr aber 14 Prozent weniger als im Vor-Corona-Jahr.
Die Aktivitäten im Rahmen der Tagesausflüge erstrecken sich seit dem zweiten Halbjahr 2021 insbesondere auf Gastronomie-Besuche und Shopping. Wesentlich zurückhaltender sind die Tagesgäste bei Besuchen von Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen.
Freizeitwirtschaft weiter unter Druck
Auch die ostdeutsche Freizeitwirtschaft hatte 2021 nach wie vor zu kämpfen. Die Besucherzahlen in den Freizeit- und Kultureinrichtungen sind 2021 pandemiebedingt noch einmal um gut 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr und damit deutlich stärker als bundesweit zurückgegangen. Sachsen hat es mit einem Minus von fast 19 Prozent am härtesten getroffen, während Thüringen und Brandenburg „lediglich“ Rückgänge von -4 bis -5 Prozent verkraften mussten.
Im Vergleich zu 2019 fehlte den Einrichtungen in Ostdeutschland 2021 fast jeder zweite Besucher (ähnlich dem Bundesniveau). Die Spanne der Bundesländer im Zweijahresvergleich reicht von -33 Prozent in Sachsen-Anhalt bis -52 Prozent in Brandenburg.
Outdoor-Angebote, wie Zoos und Tierparks mussten 2021 nur ein Minus von 17 Prozent hinnehmen. Schwerer hatten es Museen: ihre Bilanz 2021 gegenüber 2019: -62 Prozent. Ebenso wie die Erlebnisbäder/Thermen, die 2021 rund 57 Prozent weniger Besucher als in einem Normaljahr melden mussten.
Lockerungen erwecken Reiselust
Der Wert des Reisens, etwas erleben, abschalten, die Suche nach dem eigenen körperlichen und psychischen Wohlbefinden wird höher geschätzt denn je. Im Trend liegen höhere Reiseausgaben, längere Aufenthalte, Mietunterkünfte mit wenig Kontaktpunkten, attraktive Inlandsreiseziele. Auch der internationale Reiseverkehr wird wieder attraktiver. Das Bedürfnis nach Mobilität, Erholung und kulturellen Erlebnissen ist groß. Das lässt auch die Nachfrage nach Städtereisen voraussichtlich wieder stärker anziehen.
Stabile Verhältnisse – steigende Preise
Für das erste Jahr der Corona-Pandemie gilt: der Ostdeutschland-Tourismus ist vergleichsweise gut durchgekommen, das Netz aus staatlichen Hilfen hat bei den Betrieben gewirkt. Schwieriger war das Jahr 2021, in dem es keine Umsatzausfallhilfen gab.
Während der Pandemie haben die Betriebe an der Preisschraube gedreht: Die durchschnittlichen Zimmerpreise in Ostdeutschland lagen 2019 bei rund 84 Euro, 2020 bei 91 Euro und 2021 bei 98 Euro. Diese Preissteigerung um 16 Prozent steht im deutlichen Gegensatz zur bundesweiten Entwicklung. Auch hier liegt die Begründung in den aufgezeigten Angebots- und Nachfragestrukturen in Ostdeutschland. Besonders stark waren die Preisanstiege in Mecklenburg-Vorpommern. Nur in Sachsen konnten keine Preissteigerungen durchgesetzt werden.
Die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen der Tourismusbetriebe geben keinen Anlass zur Besorgnis. Aus den elektronischen Bilanzdaten der Sparkassen-Kreditnehmer geht hervor, dass sich wichtige Kennzahlen wie die Eigenkapitalquote oder die Gewinnmarge im ostdeutschen Beherbergungsgewerbe stabil zeigten. Auch eine Überschuldung ist nicht ablesbar. Die Gastronomie ist entsprechend der Bilanzdaten zudem nicht so stark betroffen gewesen wie das Beherbergungsgewerbe. Diese positive Entwicklung ist eindeutig durch Betriebe in Mecklenburg-Vorpommern getrieben. In der Gastronomie schneiden auch Brandenburger Betriebe gut ab. Aber auch hier wird deutlich, dass die sich die Krise in den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen deutlich weniger niederschlägt als bei einer Betrachtung der reinen Nachfrage.
Gästezufriedenheit stagniert
Gleichzeitig stagniert die Gästezufriedenheit weiter, in Ostdeutschland wie bundesweit. Besonders bei der Qualität der Zimmer und beim Preis-Leistungsverhältnis sehen die Gäste Ostdeutschland hinter dem Wettbewerb zurück.
In Ostdeutschland verharrt der Trust Score, die Kennziffer für Gästezufriedenheit, unverändert gegenüber 2021 bei 85,5 Punkten, im Vergleich zu 2020 hat er sich um 0,7 Punkte verschlechtert. Deutschlandweit sank der Trust Score 2022 im Vergleich zu 2021 um 0,1 Punkte auf 86,4 Punkte, seit 2020 sank er sogar um 0,8 Punkte.
Sachsen blieb in Ostdeutschland das Land mit der höchsten Gästezufriedenheit von 86,8 Punkten (+ 0,1 Punkte), gefolgt von Sachsen-Anhalt mit 85,3 Punkten (unverändert), Thüringen und Brandenburg mit jeweils 85,2 Punkten. Schlusslicht bleibt Mecklenburg-Vorpommern mit 84,5 Punkten (- 0,1 Punkte). Qualität bleibt eine dringende Aufgabe.
Qualitätssicherung und -ausbau trotz Arbeitskräftemangel
Das Gastgewerbe verzeichnete rund 13 Prozent weniger Arbeitskräfte als 2019. Auffällig: Bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt der Rückgang im ostdeutschen Beherbergungsgewerbe bei zehn Prozent, in der Gastronomie bei 7 Prozent. Die gemeldeten Stellen im Gastgewerbe sind rückläufig und dennoch blieben 2021 27 Prozent der Stellen unbesetzt.
Zurückhaltung bei Investitionen, steigende Ansprüche der Gäste und vor allem fehlende Mitarbeiter fordern die Betriebe heraus.
Das Tourismusbarometer nennt drei Ansätze, Mitarbeiter zurückzugewinnen und zu binden:
Aktive Mitarbeitersuche im In- und Ausland: Hier hat sich der Fokus von Europa auf Drittstaaten außerhalb der EU verschoben. Die Branche beklagt hierbei hohe Kosten für die Einarbeitung und bürokratische Hürden.
Mitarbeiterbindung: Dazu zählen das Thema New Work, aber auch neue Arbeitszeitmodelle, Mitarbeiterunterkünfte oder Weiterbildung. Junge Menschen legen zunehmend Wert auf weiche Faktoren, wie Spaß und Sinnhaftigkeit, aber auch persönliches Wachstum, Freiraum, Kreativität und Flexibilität. Der Tourismus mit seiner klein- und mittelständisch geprägten Betriebsstruktur bietet gute Voraussetzungen für die Umsetzung von New-Work-Ansätzen: Flache Hierarchien, gute Aufstiegschancen, eine oft familiäre Atmosphäre und individuelle Führung.
Prozessoptimierung: Die Branche braucht Ansätze, mit weniger Personal Qualitätsstandards zu halten oder auszubauen. Das Tourismusbarometer regt an, bekannte Abläufe entlang der „Customer Journey“ zu überdenken. Beispielhaft nennt es reduzierte Öffnungszeiten, Self-Check-In Möglichkeiten, Zimmerreinigung nur auf Wunsch, reduzierte Speisekarten.