Sparkassen-Tourismusbarometer für Sachsen: Fachkräftemangel stellt Betriebe auf harte Probe – Nachfrage erholt sich

Weskamp: Mut zu neuem Denken und innovativen Konzepten

Chemnitz, 7. September 2022   Im dritten Corona Sommer entdecken die Menschen ihre Reiselust neu, Sachsens touristische Ziele sind wieder gefragt. Das gewerbliche Übernachtungsaufkommen in Sachsen nähert sich dem Nachfrageniveau vor der Corona-Krise langsam wieder an, der Rückstand zum Vorkrisenniveau wird kleiner. Allein im Juni lag die Zahl der gewerblichen Übernachtungen in Sachsen nur noch 7,4 Prozent unter dem Nachfrageniveau von Juni 2019. Chemnitz (+ 6,9 Prozent) übertraf das Vorkrisenniveau von Juni 2019 bereits wieder und Leipzig (- 0,5 Prozent), die sächsische Schweiz (- 1,6 Prozent), das sächsische Burgen- und Heideland (- 3,7 Prozent) und das Erzgebirge (- 4,8 Prozent) verminderten die Nachfragerückstände deutlich.

Die Kunden legen mehr denn je wert auf Qualität und Service, gleichzeitig hat Corona tiefe Spuren in der Tourismuslandschaft hinterlassen und Probleme wie den Fachkräftemangel dramatisch verschärft. Das geht aus dem Sparkassen-Tourismusbarometer 2022 des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) hervor, dessen Ergebnisse für Sachsen der OSV am Mittwoch in Chemnitz vorgestellt hat.

Der Geschäftsführende Präsident des OSV, Ludger Weskamp betonte: „Den Gästen ist zunehmend ein gesunder und nachhaltiger Lebensstil im Urlaub wichtig. Dazu gehört mehr Wertschätzung für Gäste und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein Weiter so reicht nicht aus.“

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigten im sächsischen Gastgewerbe hat im Jahr 2021 gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 insgesamt um 13,9 Prozent abgenommen, deutschlandweit sogar um 15,9 Prozent. In der Freizeitwirtschaft (- 3,5 Prozent) war der Rückgang von Beschäftigten vergleichsweise gering. Die gastgewerblichen Betriebe Sachsens meldeten im Jahre 2021 942 Ausbildungsstellen. 25 Prozent der Ausbildungsstellen blieben unbesetzt.

Nachfrageverluste schwächen sich ab

Die touristischen Betriebe in Sachsen meldeten im 1. Halbjahr 2022 erneut Rückgänge bei den gewerblichen Übernachtungen von 19,7 Prozent im Vergleich zum Vorkrisenzeitraum 1. Halbjahr 2019, deutschlandweit lagen die Rückgänge mit 15,6 Prozent niedriger. Die Höhe der Rückgänge fiel deutlich geringer aus als in den Corona-Jahren mit ihren teils erheblichen Auflagen und Beschränkungen.

Zählten die Betriebe noch 8,8 Millionen Übernachtungen im ersten Halbjahr 2019, waren es im 1. Halbjahr 2020 5,3 Millionen Übernachtungen und im Lockdown-Halbjahr 2021 nur noch 3 Millionen Übernachtungen und 2022 wieder 7,5 Millionen Übernachtungen in Sachsen.

Reisegebiete holen unterschiedlich schnell auf

Auch nachdem die meisten Corona-Beschränkungen aufgehoben waren, entwickelten sich die Reisegebiete im 1. Halbjahr 2022 unterschiedlich. Insgesamt schwächten sich die Übernachtungsrückgänge im 1. Halbj. 2022 gegenüber dem 1. Halbj. 2019 in allen Reisegebieten ab.

Die gemeldeten Rückgänge waren nicht so hoch in der sächsischen Schweiz (- 10,6 Prozent), im sächsischen Heide- und Burgenland (- 11,6 Prozent), in Oberlausitz-Niederschlesien (- 12,7 Prozent) und in Leipzig (- 16,2 Prozent).  Etwa im Landesdurchschnitt lag der Rückgang in Chemnitz (- 18,4 Prozent) und im Erzgebirge (- 20,6 Prozent). Überdurchschnittlich stark traf es das Vogtland (- 22,7 Prozent), Dresden (- 27,5 Prozent) und das sächsische Elbland (- 32 Prozent).

Die Zimmerpreise blieben in der Corona-Krise in Sachsen verhältnismäßig stabil. Sie bewegten sich von durchschnittlich knapp unter 80 Euro im Jahr 2019 bis zu durchschnittlich 84 Euro im Jahr 2022. Allerdings ist der durchschnittliche Zimmerpreis in Sachsen im Vergleich zu niedrig. In Ostdeutschland insgesamt liegt er etwa 25 Euro höher.

Die ostdeutschen Betriebe sehen sich im Spannungsfeld steigender Qualitätsansprüche und geringerer Handlungsspielräume. Denn acht von zehn Betrieben beklagen laut einer Online-Befragung des Tourismusbarometers im Gastgewerbe, dass die Ansprüche ihrer Gäste an Qualität in den letzten zehn Jahren stärker gestiegen sind, als sie die Preise erhöhen konnten.

Licht und Schatten über Freizeitwirtschaft

Die Zahl der Besucher in sächsischen Kultur- und Freizeiteinrichtungen verzeichnete von Januar bis Juni 2022 ein verhältnismäßig starkes Besucher-Minus von 20,2 Prozent gegenüber dem 1. Halbjahr 2019. In ganz Deutschland war das Besucher-Minus in den Kultur- und Freizeiteinrichtungen mit 15 Prozent deutlich schwächer ausgeprägt. Die unterschiedlichen Einrichtungen erholten sich unterschiedlich rasch. Während Zoos/Tierparks (+ 4,4 Prozent) im 1. Halbjahr 2022 wieder mehr Besucher begrüßen konnten als im Vergleichszeitraum 2019, erholten sich Burgen/Schlösser (- 24,6 Prozent) und Museen/Ausstellungen (- 37,2 Prozent) deutlich langsamer. Schlusslicht waren Stadtführungen (- 43,1 Prozent).

Weiter Qualitätssignale senden

Qualitätsarbeit bleibt eine wichtige Aufgabe. Weitere Impulse in den Betrieben und Qualitätssignale an die Gäste sind erforderlich. Schwachstellen in der Qualität müssen abgebaut werden. Die Zufriedenheit der Gäste mit der Qualität ihrer Übernachtungsquartiere in Sachsen verharrt 2022 auf dem hohen Niveau von 86,8 Punkten beim Trust Score, ein geringes Minus von 0,4 Punkten im Jahr 2020, aber immer noch leicht über dem deutschlandweiten Trust Score (86,4 Punkte).

Hohe Zufriedenheit herrscht unter den Gästen mit dem Service (93 Punkte), der Location (92,1 Punkte) und dem Hotel (89,9Punkte). Schwachstellen in der Qualität bleiben die Zimmer (78,3 Punkte), das gefühlte Preis-Leistungs-Verhältnis (73,6 Punkte) und der Internetzugang (50,3 Punkte).

Regional sticht das Erzgebirge (88,7 Punkte) als Destination mit den zufriedensten Gästen sachsenweit heraus.

Der Trust Score fasst Gästebewertungen auf rund 250 Onlineplattformen für Unterkunftsbetriebe zu einem Gesamtwert der Gästezufriedenheit zusammen, maximal 100 Punkte können erreicht werden.

Aktuell im Fokus: Qualitätssicherung trotz Arbeitskräftemangel

Die Tourismusbetriebe stehen vor Herausforderungen. Die Gäste erwarten hohe Qualität und kundennahen Service, zunehmend auch nachhaltige Tourismusangebote bei wachsender Personalknappheit. Die Corona-Krise wirkte hierbei wie ein Brennglas und hat strukturelle Probleme der Branche verstärkt. Die Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und der geringfügig Beschäftigten im sächsischen Gastgewerbe ging vom Jahr 2019 bis zum Jahr 2021 um 13,9 Prozent zurück.

Das Tourismusbarometer fordert dazu auf, Investitionen verstärkt aus der Perspektive vorausschauender Personalpolitik zu planen. Mitarbeitersuche bleibt wichtig. Hier gilt es verstärkter auch internationale Arbeitskraftressourcen zu nutzen. Bereits heute sind ausländische Kolleginnen und Kollegen im Tourismus oft Realität. Der Anteil internationaler Beschäftigten an allen Beschäftigten in Sachsen lag 2021 bei 17 Prozent im Tourismus, während er über alle Branchen gesehen bei
6 Prozent lag.

Mitarbeiterbindung muss künftig stärker in den Fokus gerückt werden. Eine Online-Befragung im Gastgewerbe und der Freizeitwirtschaft in Ostdeutschland für das Tourismusbarometer ergab, dass insbesondere Vereinbarkeit von Beruf und Familie (73 Prozent), finanzielle Anreizsysteme (59 Prozent), flexible Arbeitszeit (58 Prozent), Einbezug Dienstplangestaltung (56 Prozent) und im Homeoffice/remote arbeiten (52 Prozent) in den Betrieben an Bedeutung gewonnen haben.

Aus Sicht der ostdeutschen Betriebe zwingt der zunehmende Arbeitskräftemangel sie dazu, ihre Angebotsstruktur auf weniger personalintensive Dienstleistungen umzustellen. Eine Befragung des Tourismusbarometers zeigte, dass 93 Prozent der Gastronomiebetriebe, 82 Prozent der Beherbergungsbetriebe und 69 Prozent der Freizeit- und Kultureinrichtungen so denken.

Daher fordert das Tourismusbarometer, Potentiale der Prozessoptimierung und Digitalisierung auszuschöpfen. Dabei geht es nicht um Rationalisierung zwecks Kostenvorteilen, sondern zwecks Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.

Kampagnen wie die „Tourismustalente für Sachsen“ zielen in die richtige Richtung und wirken. Es ist an der Zeit, in Betrieben, in Destinationsmanagementorganisationen, in Branchenverbänden und in Politik umzudenken im Interesse der Zukunft des Tourismus.