Ermrich: EZB gefährdet Mittelstand und Altersvorsorge

Berlin, 16. Februar 2021      Die zum Jahresende 45 Mitgliedssparkassen im Ostdeutschen Sparkassenverband (OSV) sind mit Blessuren durch das Corona-Jahr 2020 gekommen, so die Bilanz des Geschäftsführenden

OSV-Präsidenten, Dr. Michael Ermrich, und des Verbandsgeschäftsführers, Wolfgang Zender, am Dienstag in Berlin. Die Kreditvergabe erhöhte sich noch einmal um 18,6 Prozent. Die Einlagen wuchsen um 9,6 Prozent auf rund 120 Mrd. Euro.

„Die Kunden haben uns im Krisenjahr mehr denn je ihr Geld anvertraut, darauf können wir stolz sein. Unseren Sparkassen fehlen jedoch Möglichkeiten, diese Gelder zu investieren bzw. zinsbringend anzulegen. Das stellt sie angesichts der langanhaltenden Negativzinspolitik der EZB vor Probleme“, erläuterte Ermrich.

Betriebsergebnis schwindet

Allein in den zurückliegenden drei Jahren sei das Betriebsergebnis der OSV-Sparkassen um 165 Millionen Euro gesunken. Das entspreche fast der Summe, die die Sparkassen von 2017 bis 2020 für ihre gemeinwohlorientierte Unterstützung von Kultur, Sport, Sozialem und Bildung bereitgestellt hatten.

„Die negativen Einlagenzinsen der EZB führen dazu, dass wenn Kunden Gelder auf ihr Girokonten überweisen, die Sparkassen dafür Negativzinsen bei der EZB zahlen. Außerdem bestimmt die Geldpolitik auch die Marktzinsen. Somit sind Sparkassen-Anlagen beim Bund und bei anderen Banken ebenfalls mit Negativzinszahlungen verbunden“, erläuterte Ermrich.

„Wir rufen darum die Geldpolitik erneut zur verstärkten Suche nach einem Ausstieg aus der ungesunden Situation auf. Sie darf nicht auf Dauer bodenständigen Banken und Sparern einseitig schaden. Das ist auch aus Gründen der Finanzmarktstabilität wichtig, denn die aktuelle Geldpolitik führt zu wachsenden Vermögenspreisblasen an den Börsen und am Wohnungsmarkt.“

Die professionellen Gegenmaßnahmen der Sparkassen und ihrer Träger hätten bislang verhindert, dass die negativen Vorgaben 1:1 auf die Kunden durchschlagen. Dies sei auf Dauer nicht durchzuhalten. „Unsere Mitgliedssparkassen haben in beachtlichem Tempo zusätzliches Geschäft gemacht und Abläufe optimiert. Aber das bewirkt leider kein zusätzliches Einkommen. Es dämpft lediglich den Rückgang des Betriebsergebnisses ab. Dies drohe aber die Grundlage für das Geschäftsmodell zugunsten der heimischen Wirtschaft zu zerbröseln“, so Ermrich weiter.

Öffentlicher Auftrag in Frage gestellt

Es falle Sparkassen zunehmend schwer, den öffentlichen Auftrag umzusetzen. „Sparkassen sind kein Selbstzweck. Sie gibt es, weil es der Wille der Bürgerinnen und Bürger ist, öffentliche Sparkassen zur Daseinsvorsorge zu haben. Das hat etwas mit Demokratie und mit kommunaler Selbstverwaltung zu tun. Beides wird mit der Minuszinspolitik und mit der überzogenen Regulierung systematisch konterkariert.“

Ermrich betonte, wie Krisen zuvor, habe die Corona-Pandemie die Stärke der Sparkassen belegt. „Unsere Sparkassen haben die Bargeldversorgung sichergestellt, die telefonische Beratung ausgebaut und sich um die Anliegen der Geschäftskunden gekümmert. KfW-Kredite wurden durchgeleitet und Kredite gestundet. Sie waren dort, wo sie gebraucht wurden. „Ich wünsche mir auch dafür von der Politik mehr Wertschätzung und keine Maßnahmen, die uns unser Engagement erschweren.“ Als aktuelles Beispiel verwies er auf die Pläne des Bundesfinanzministers zur Reform der BaFin als Reaktion auf den Wirecard-Skandal.

„Wir fordern die Klarstellung, dass Sparkassen, die mit solchen Geschäftsmodellen nichts zu tun haben, explizit und von Zusatzaktivitäten der Regulierer ausgenommen werden“.

Geschäftsentwicklung der OSV-Mitgliedssparkassen

Kreditvergabe und Einlagenbestand kletterten auf Rekordhoch. Kurzfristig verfügbare Anlagen waren begehrt.

Kreditvergabe steigt

Die Ostdeutschen, vor allem die ostdeutschen mittelständischen Unternehmen, trauten sich, trotz der Pandemie 2020 zu investieren, was sich in der Kreditvergabe der 44 OSV Sparkassen (Anmerkung: per 31.12.2020 = 45 Sparkassen) widerspiegelt.

Im vergangenen Jahr vergaben sie insgesamt neue Kredite in Höhe von 13,68 Mrd. Euro und damit 18,6 Prozent mehr als 2019, davon 7,2 Mrd. Euro für Unternehmen und Selbständige (+ 23,2 Prozent) und 6,1 Mrd. Euro für Privatpersonen (+ 17,8 Prozent). Erneut ein Plus verzeichneten die Institute bei den Wohnungsbaufinanzierungen. Sie bewilligten neue Kredite in Höhe von 7,4 Mrd. Euro (+ 28,0 Prozent).

Das Kreditvolumen stieg 2020 im Jahresverlauf auf 65,5 Mrd. Euro (+ 7,3 Prozent), davon entfielen 32,5 Mrd. Euro (+ 8,9 Prozent) auf Unternehmen und Selbständige und 27,2 Mrd. Euro (+ 9,0 Prozent) auf Privatpersonen.

Einlagenwachstum auf Rekordhöhe – kurzfristig verfügbaren Anlagen gefragt

Mehr Kunden als jemals zuvor vertrauten den Sparkassen 2020 ihr Geld an. Das Einlagenvolumen stieg um 9,6 Prozent (10,5 Mrd. Euro) auf 120 Mrd. Euro.

Die Geldvermögensbildung der Privatkunden liegt mit rund + 9 Mrd. Euro weiterhin auf einem hohen Niveau (+ 58,1 Prozent Veränderung ggü. gleichem Vorjahreszeitraum). Die Kunden bevorzugten wie in den Vorjahren die kurzfristig verfügbaren Sichteinlagen auf Giro- und Tagesgeldkonten. Ihr Volumen stieg 2020 um 17,4 Prozent auf 76,7 Mrd. Euro. Begehrt waren auch Spareinlagen mit normaler Verzinsung, deren Anteil um 6,4 Prozent auf 15,8 Mrd. Euro wuchs.

Die Ostdeutschen werden mutiger beim Handel mit Wertpapieren. Der Umsatz im Kundenwertpapiergeschäft betrug 9 Mrd. Euro (+ 12,9 Prozent), der Nettoabsatz lag bei 1,8 Mrd. Euro (+ 36,7 Prozent). Am beliebtesten waren Investmentfonds (+ 8,2 Prozent Veränderung ggü. gleichem Vorjahreszeitraum) sowie Aktien und Optionsscheine (+ 128 Prozent).

Trotz oder gerade wegen Corona weiter engagiert für Gemeinwohl

Der Lockdown, vor allem die Einschränkungen bei Veranstaltungen, verhinderten 2020 viele Veranstaltungen. Im vergangenen Jahr konnten die Sparkassen und ihre Stiftungen mit 43,6 Millionen Euro weniger Mittel als gewohnt für Sponsoringvorhaben und Stiftungsprojekte aus den Bereichen Sport, Kultur, Jugend, Soziales, Umweltschutz und Forschung zur Verfügung stellen (Vorjahr 51,8 Millionen Euro). Dennoch war es den 44 OSV Sparkassen (Anmerkung: per 31.12.2020 = 45 Sparkassen) ein wichtiges Anliegen, vertraute Projekte durch die Pandemie zu begleiten und ihr Überleben zu sichern. So konnten mit einer Crowdfunding-Aktion auf der Plattform „99 Funken“ die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern unterstützt werden, so dass sie Nachwuchsmusikern ein Ausfallhonorar zahlen konnten.

Rückgang Betriebsergebnis belastet Sparkassen

Wiederum mussten die ostdeutschen Sparkassen angesichts der Negativzinssituation mit 0,85 Prozent der DBS (1,15 Mrd. Euro) einen Rückgang des Betriebsergebnisses vor Bewertung hinnehmen.

Die Cost-Income-Ratio lag 2020 bei 61,4 Prozent (2019: 60,8 Prozent). Der vergleichbare Wert der großen deutschen Privatbanken bewegte sich nach wie vor deutlich über 80 Prozent.