Sparkassen-Tourismusbarometer Brandenburg: Fachkräftemangel verlangt Mut zu neuem Denken – Sommer bringt spürbaren Nachfrageschub
Grünheide (Mark), 5. Oktober 2022 Nach zwei Sommern mit Corona-Beschränkungen reisen die Menschen wieder. Das Land Brandenburg und seine touristischen Ziele sind beliebt. Jüngste Zahlen belegen, dass das gewerbliche Über-nachtungsaufkommen im Land Brandenburg fast wieder das Nachfrageniveau 2019 vor der Corona-Krise erreicht hat. Dazu haben die Sommermonate Juni/Juli viel beigetragen. So lag die Zahl der gewerblichen Übernachtungen im Zeitraum Juni bis Juli 2022 landesweit nur noch 6,8 Prozent unter der Rekord-Nachfrage vor der Corona-Krise im Vergleichszeitraum 2019. Im Juli 2022 sank das Nachfrage-minus im Vergleich zum Juli 2019 im Land Brandenburg sogar auf 3,1 Prozent. Neue Risiken im wieder funktionierenden Tourismusmarkt sind die steigenden Preise in allen Lebensbereichen und die drohenden Energieengpässe.
Die Gäste legen mehr denn je Wert auf Qualität und Service, gleichzeitig hat Corona tiefe Spuren in der Tourismuslandschaft hinterlassen und Probleme, wie den Fachkräftemangel dramatisch verschärft. Das geht aus dem Sparkassen-Tourismus-barometer 2022 des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) hervor, dessen Ergebnisse für Brandenburg der OSV am Dienstag in Grünheide (Mark) vorgestellt hat. Die Veranstaltung fand gemeinsam mit dem Brandenburgischen Tourismustag statt.
Der Geschäftsführende Präsident des OSV, Ludger Weskamp betonte: „Weiter so geht nicht. Wir müssen Betriebskonzepte und Prozesse neu denken und intelligente Lösungen mutig angehen.“
Die Zahl der sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigten im Gastgewerbe Brandenburgs sank im Jahr 2021 gegenüber dem Vor-Corona-Jahr 2019 insgesamt um 14,6 Prozent, deutschlandweit etwas stärker um 15,9 Prozent. Die gastgewerblichen Betriebe in Brandenburg meldeten im Jahre 2021 908 Ausbildungsstellen. 29,5 Prozent der Ausbildungs-stellen blieben unbesetzt.
Wieder mehr Übernachtungen – Brandenburg Spitze bei Zuwächsen
Die touristischen Betriebe in Brandenburg meldeten im Zeitraum Januar bis Juli 2022 nur noch leichte Rückgänge bei den gewerblichen Übernachtungen von 6,8 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorkrisenzeitraum im Jahr 2019, deutlich höher waren die Rückgänge deutschlandweit mit 13,2 Prozent. Die Höhe der Rückgänge fiel deutlich geringer aus als in den Corona-Jahren mit ihren teils erheblichen Auflagen und Beschränkungen. Das Land Brandenburg nimmt damit bundesweit eine Spitzenposition ein, die nur noch von Schleswig-Holstein übertroffen wird mit einem Nachfrageplus von 3,1 Prozent in den ersten sieben Monaten 2022 gegenüber dem vergleichbaren Zeitraum 2019 vor der Corona-Krise.
Im Juli mehrere Regionen über Rekordniveau 2019
Insbesondere die Sommermonate bescherten den Brandenburger Betrieben wieder deutlich mehr Gäste. Im Juli 2022 lag die Zahl der Übernachtungen in gewerblichen Betrieben in den Reisegebieten Elbe-Elster (+ 10,4 Prozent), Fläming (+ 9,2 Prozent), Prignitz (+ 8,6 Prozent), Dahme-Seengebiet (+ 3,8 Prozent), Potsdam (+ 2,5 Prozent), Spreewald (+ 2,4 Prozent) und Lausitzer Seenland (+ 1,5 Prozent) teilweise deutlich über dem Nachfrageniveau im Rekordjahr 2019.
Die übrigen Reisegebiete Havelland (- 4,3 Prozent), Ruppiner Seenland (- 9,7 Prozent), Barnim (- 10,2 Prozent), Uckermark (- 11,1 Prozent) und Seenland Oder-Spree (- 11,8 Prozent) meldeten im Juli 2022 gegenüber dem Vor-Corona-Juli 2019 noch Nachfragerückgänge und blieben damit unter der landesweiten durchschnittlichen Nachfrageentwicklung.
Zimmerpreise angestiegen
Die Zimmerpreise im Land Brandenburg stiegen während der Corona-Krise leicht an und näherten sich dem durchschnitt-lichen ostdeutschen Preisniveau. Lagen sie 2019 etwa auf einem Niveau von durchschnittlich etwa 70 Euro, so kostet ein Zimmer aktuell 2022 durchschnittlich 106 Euro. Der ostdeutsche Zimmerpreis beträgt aktuell durchschnittlich 112 Euro.
Die Zimmerauslastung liegt aktuell bei 72 Prozent und damit in etwa auf dem Vor-Corona-Niveau. Die Zufriedenheit der Gäste mit dem Zimmerpreis ist im Rahmen des Trust Score vergleichsweise gering ausgeprägt.
Insgesamt sehen sich die ostdeutschen Betriebe im Spannungsfeld steigender Qualitätsansprüche und geringerer Handlungs-spielräume. Acht von zehn Betrieben beklagen laut einer Online-Befragung des Tourismusbarometers im Gastgewerbe, dass die Ansprüche ihrer Gäste an Qualität in den letzten zehn Jahren stärker gestiegen sind, als sie die Preise erhöhen konnten.
Gästezufriedenheit leicht gesunken – Qualitätsimpulse wirken
Qualitätsarbeit bleibt eine wichtige Aufgabe. Weitere Impulse in den Betrieben und Qualitätssignale an die Gäste sind er-forderlich. Schwachstellen in der Qualität müssen abgebaut werden. Die Zufriedenheit der Gäste mit der Qualität ihrer Übernachtungsquartiere hat im Jahr 2022 in Brandenburg 85,2 Punkte beim Trust Score erreicht. Das ist ein geringes Minus von 0,1 Punkten im Vergleich zum Jahr 2021 und ein deutlicheres Minus von 0,4 Punkten gegenüber dem Jahr 2020. Die Zufriedenheit der Gäste in Deutschland insgesamt liegt mit 86,4 Punkten beim Trust Score höher.
Hohe Zufriedenheit herrscht unter den Gästen mit der Location (91,5 Punkte), dem Service (90,8 Punkte) sowie mit dem Hotel (87 Punkte) und den Außenanlagen (86,9 Punkte). Schwachstellen in der Qualität bleiben die Zimmer (74,8 Punkte), das gefühlte Preis-Leistungsverhältnis (69,1 Punkte) und der Internetzugang (46,6 Punkte).
Regional ist die Gästezufriedenheit unterschiedlich ausgeprägt. Die Uckermark (87,9 Punkte) und das Lausitzer Seenland (87,6 Punkte) stechen als die Destinationen mit den zufriedensten Gästen im Land Brandenburg heraus. Mit leichtem Abstand und ebenfalls über dem Landesniveau folgen Spreewald (86,5 Punkte), Prignitz (86,3 Punkte) und Elbe-Elster (86,1 Punkte). Auf Landesdurchschnitt bewegt sich die Gästezufriedenheit in Seenland Oder-Spree (85,5 Punkte) und Fläming (85,2 Punkte). Mit etwas Abstand zum Landesdurchschnitt folgen Ruppiner Seenland (84,5 Punkte) und Havelland (83,8 Punkte). Die beiden Schlusslichter bilden Dahme-Seengebiet (81,3 Punkte) und Potsdam (80,7 Punkte).
Der Trust Score fasst Gästebewertungen auf rund 250 Onlineplattformen für Unterkunftsbetriebe zu einem Gesamtwert der Gästezufriedenheit zusammen, maximal 100 Punkte können erreicht werden.
Aktuell im Fokus: Qualitätssicherung trotz Arbeitskräftemangel
Die Tourismusbetriebe stehen vor Herausforderungen. Die Gäste erwarten hohe Qualität und kundennahen Service, zu-nehmend auch nachhaltige Tourismusangebote bei wachsender Personalknappheit.
Die Corona-Krise wirkte hierbei wie ein Brennglas und hat strukturelle Probleme der Branche verstärkt. Die Gesamtzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und der geringfügig Beschäftigten im Gastgewerbe Brandenburg ging vom Jahr 2019 bis zum Jahr 2021 um 14,6 Prozent zurück.
Das Tourismusbarometer fordert dazu auf, Investitionen verstärkt aus der Perspektive vorausschauender Personalpolitik zu planen. Mitarbeitersuche bleibt wichtig. Hier gilt es verstärkter auch internationale Arbeitskraftressourcen zu nutzen. Bereits heute sind ausländische Kolleginnen und Kollegen im Tourismus oft Realität.
Mitarbeiterbindung muss künftig stärker in den Fokus gerückt werden. Eine Online-Befragung im Gastgewerbe und der Freizeitwirtschaft in Ostdeutschland für das Tourismusbarometer ergab, dass insbesondere Vereinbarkeit von Beruf und Familie (73 Prozent), finanzielle Anreizsysteme (59 Prozent), flexible Arbeitszeit (58 Prozent), Einbezug Dienstplangestaltung (56 Prozent) und im Homeoffice/remote arbeiten (52 Prozent) in den Betrieben an Bedeutung gewonnen haben.
Aus Sicht der ostdeutschen Betriebe zwingt der zunehmende Arbeitskräftemangel sie dazu ihre Angebotsstruktur auf weniger personalintensive Dienstleistungen umstellen. 93 Prozent der Gastronomiebetriebe, 82 Prozent der Beherbergungsbetriebe und 69 Prozent der Freizeit- und Kultureinrichtungen teilen diese Ansicht laut einer Befragung des Tourismusbarometers.
Das Sparkassen-Tourismusbarometer fordert, Potentiale der Prozessoptimierung und Digitalisierung auszuschöpfen. Dabei geht es nicht um Rationalisierung zwecks Kostenvorteil, sondern zwecks Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.